Tim, Anfang Mai konnte die U17 ein herausragendes Jahr mit der Deutschen Meisterschaft krönen. Wie war es beim letzten Elfmeter um die Emotionen im Trainer-Team bestellt?
Grundsätzlich nimmt jeder eine solche Situation anders wahr, aber unterm Strich herrschte bei uns allen pure Freude. Man hat gemerkt, dass die Emotionen so richtig rausgesprudelt sind, auch heute ist es noch schwierig in Worte zu fassen und zu realisieren. Ich freue mich für die Jungs, weil sie etwas geschafft haben, auf das sie lange hingearbeitet hatten.
Was hat die feine Trainer-Antenne im Spielerkreis vor den Duellen vom Punkt für Schwingungen ausgemacht?
Da hat Onur (Cinel, Chef-Trainer der U17, Anm. d. Red.) die Dinge sicher noch viel intensiver wahrgenommen. Rückblickend kann ich verraten, dass ich mir am Anfang der Verlängerung einen Zettel genommen habe, um mögliche Schützen für die Elfmeter zu notieren. Nach Ablauf der Zeit hatte ich noch immer erst einen Namen aufgeschrieben. (lacht) Ich bin unsere Spieler erneut durchgegangen, habe allen positiv zugesprochen und den einen oder anderen motiviert zu schießen, weil eine gewisse Nervosität absolut zu spüren war.
Und dein Gefühl?
Wir alle haben gespürt, dass der VfB sehr gut ist, aber ich war positiv gestimmt. Denn hinten heraus hat jeder von uns gemerkt, dass wir mehr Körner für die Verlängerung besitzen. Da hat sich Onurs Training ausgezahlt, er hat die Jungs manchmal wirklich leiden lassen. (schmunzelt) Doch dadurch hatten wir den Saft für die Verlängerung, auch wenn ein Elfmeterschießen immer auch Glückssache ist.
Da hat sich Onurs Training ausgezahlt, er hat die Jungs manchmal wirklich leiden lassen.
Anschließend ging es dann auf der Meisterfeier rund?
Der Verein hatte auf dem Gelände ein bisschen was organisiert, dort stand auch noch eine kleine Bühne vom Vortag, als die Profis gegen den FC St. Pauli den Aufstieg perfekt machen konnten. Im kleineren Kreis – sprich: Team mit Trainern und Familien sowie Geschäftsstellen-Mitarbeitern – haben wir den Tag abgerundet. Auch wenn man früh gespürt hat, dass alle ziemlich geschlaucht vom Spiel waren.
Die Bilanz spricht für sich: 17 von 19 Partien hat die U17 gewonnen, nur gegen Preußen Münster eine Niederlage hinnehmen müssen. Wie bewertest du die Leistung?
Das ist einfach herausragend, als Spieler habe ich nie eine vergleichbare Konstanz erlebt. Und dann bin ich gleich in meinem ersten Jahr als Trainer Teil einer solch einmaligen Phase, die sich nur schwer wiederholen lässt. Schon in der Vorbereitung hat sich angedeutet, welches Potenzial die Mannschaft besitzt. Vor dem Ligastart hatten wir bereits den NRW-Ligapokal gewonnen, und manch einer hat bereits die Frage gestellt, wer uns denn schlagen sollte. Daraus hat sich schnell ein großes Selbstbewusstsein gebildet. Und nach der überraschenden Niederlage gegen Münster habe ich Onur am selben Abend eine Nachricht geschrieben: „Pass auf, wir werden Deutscher Meister!“
Wie anstrengend ist es für euch als Trainer-Team, in dieser erfolgreichen Phase das Level kontinuierlich hochzuhalten und den berüchtigten Schlendrian zu verbannen?
Da muss man Onur als Chef des Ganzen ein großes Kompliment aussprechen. Denn es ist nur menschlich, in einer solch positiven Zeit das Gefühl zu bekommen, dass alles scheinbar von allein läuft und auch ein Schritt weniger reichen könnte. Onur hat vom ersten Tag an gegengesteuert und Intensität wie Konzentration hochgehalten.
Dem Team wird eine starke Mentalität nachgesagt, was zeichnet es noch aus?
Die Jungs sind absolut wissbegierig, haben Neues wie ein Schwamm aufgesogen. Ihre Auffassungsgabe und die Fähigkeit, es direkt umzusetzen, haben dazu geführt, dass die Entwicklung so schnell ging. Es hat ein wahrer Schub eingesetzt, gepaart mit der Gier auf Erfolg. Wenn einer im Training dann mal den angesprochenen Schlendrian hat einkehren lassen, mussten wir Coaches meist nicht einmal eingreifen. Das hat sich blitzschnell innerhalb des Teams reguliert. Dabei haben nicht unbedingt die Lautesten geführt, sondern die, die mit Leistung vorangegangen sind.
Die Jungs sind absolut wissbegierig, haben Neues wie ein Schwamm aufgesogen.
Kann ein solcher Titel zum Beschleuniger in Richtung Profifußball werden?
Wenn du das Gefühl kennst, ein Sieger und erfolgreicher Wettkämpfer zu sein, hilft das ungemein. Natürlich, in jungen Jahren steht die Entwicklung an erster Stelle, aber kontinuierliche Negativerlebnisse würden da eher hemmend wirken. Und was ganz wichtig ist: Egal ob die Jungs später Profifußballer sind oder einen anderen Beruf ausüben – sie nehmen für ihre Persönlichkeit mit, was sie hier als Team geschaffen haben.
Für dich war es ebenfalls ein besonderer Titel: 2002 wurdest du selbst mit Königsblau Deutscher U17-Meister, 20 Jahre später nun der Triumph als Co-Trainer. Was macht diese kuriose Konstellation mit dir?
Ich merke, dass ich alt werde! (lacht) Die Zeit ist wahnsinnig schnell vergangen, auch wenn ich in den beiden Jahrzehnten viel als Fußballer erleben durfte. Ich habe heute noch einige Momente aus dem damaligen Finale vor Augen. Das vergisst man nicht.
2002 oder 2022 – wann warst du nervöser?
Damals eigentlich gar nicht. Uns Spielern war klar, dass Stuttgart der Favorit im Endspiel sein wird. Deshalb hatten wir einfach Spaß daran, uns zu präsentieren und Fußball zu spielen – mit Erfolg. Als Trainer spürt man vor einem Finale eine ganz andere Anspannung, man beschäftigt sich mit so vielen Dingen rund um das Duell. Spieltage, Trainingseinheiten, die komplette Saison muss durchgeplant werden. Nun war es also stressiger, aber auch im positiven Sinne. Und nicht viele können von sich behaupten, im ersten Trainerjahr gleich einen solchen Erfolg feiern zu dürfen.
Inwiefern hat sich der Nachwuchsfußball in zwei Jahrzehnten verändert?
Schwierig zu vergleichen, viele Details von damals sind auch nicht mehr so präsent, zumal 18 Profijahre dazwischen liegen. Ich glaube, dass wir damals mit den Basics ganz gut aufgestellt waren. Das einfache Jonglieren, Pässe, Ballkontrolle, Abschlüsse. Heutzutage merkt man aber, dass Taktik und Schnelligkeit an Bedeutung zugelegt haben.
Konntest du den Jungs auf dem Weg zum Titel was aus deinem persönlichen Erfahrungsschatz mitgeben?
Ich bin nicht der Typ, der offensiv herausstellt, was er als Profi erreicht hat – zumal es viele Fußballer gibt, die mehr geschafft haben. Was ich aber vermitteln kann, ist die Tatsache, dass das Profigeschäft nicht nur aus schönen Aspekten besteht. Als Beruf ist es großartig, doch muss man im Gegenzug auch auf vieles verzichten oder Widerstände überwinden, die sie jetzt noch nicht im Blick haben. Denn am Ende des Tages ist Profifußballer auch ein Job, den man bestmöglich ausfüllen muss, sonst ist schnell jemand da, der deinen Platz einnehmen will. Zudem war ich in meiner Karriere fast fünf Jahre am Stück verletzt, ich kenne die Schattenseiten bestens.
Für die nahe Zukunft in der U19 siehst du deine Spieler aber gut gerüstet?
Absolut, mit der Art und Weise des Trainings in der U17 haben wir sie bestmöglich auf die Zeit unter Norbert Elgert vorbereitet. Ich denke, dass er Spaß an der Mannschaft haben wird – und sie in der U19 unter ihm.
Und unter dir als Co-Trainer …
Ich freue mich, nun zwei Jahre von Norbert Elgert lernen zu dürfen und zeitgleich Mannschaften entwickeln und Dinge für meine Zeit als Trainer aufsaugen zu können. Ich möchte mich weiterbilden und die Spieler fördern, damit am Ende alle Seiten davon profitieren.
Für mich ist es sensationell, mit Norbert zusammenzuarbeiten.
Norbert war auch dein Coach in der Schalker U19, nun rückst du an seine Seite. Eine besondere Situation?
Vom Spieler-Trainer- ins Kollegenverhältnis überzugehen ist spannend, zumal seit meiner Zeit mit ihm auch 20 Fußballjahre ins Land gezogen sind. Nun bekomme ich die Arbeit auf andere Weise mit, kann sicher noch dazulernen, was Werte und Zusammenhalt im Teamgefüge betrifft. Für mich ist es sensationell, mit Norbert zusammenzuarbeiten.
Für die Spieler ist es vielleicht auch ein Vorteil, bereits einen Teil des Trainer-Teams zu kennen.
Das kann sicherlich ein Faktor werden, wenn die Jungs in den neuen Strukturen ein bekanntes Gesicht treffen. Ich denke aber, das beschränkt sich auf die Anfangsphase, denn wie in allen anderen Vereinen geht ein solcher Übergang schnell vonstatten. Wer einmal Teamsport ausgeübt hat, weiß, wie rasch neue Strukturen dabei zusammenwachsen.
Was soll nach deiner Zeit in der U19 für dich folgen?
Ich habe jüngst meinen Lehrgang zur A-Lizenz erfolgreich abgeschlossen und hoffe stark, 2024 mit der Pro-Lizenz starten zu können. Ich strebe auf jeden Fall eine Trainerlaufbahn an. Aktuell ist die Arbeit im Schalker Nachwuchs perfekt für mich.
Kannst du in der Sommerpause auch mal ein paar Tage abschalten?
Die A-Lizenz habe ich als Intensivkurs in Wales absolviert, weil ich dorthin noch gute Kontakte aus meiner Zeit beim FC Fulham habe. Nach Ablauf der U17-Saison folgt eine Lehrprobe. Danach hoffe ich aber auf ein paar ruhige Tage …
…, die du womit am liebsten verbringst?
Ganz klar: mit der Familie. Fußball und die Trainertätigkeit sind ein 24/7-Job, da muss man sich auch die Auszeiten unbedingt nehmen. Und meine Liebsten dürfen nicht zu kurz kommen. Außerdem habe ich im Lockdown in Melbourne (Hoogland spielte für Melbourne Victory, Anm. d. Red.) das Joggen für mich entdeckt, bin kreuz und quer durch die Stadt gelaufen. Das könnte mittlerweile gut für einen Halbmarathon reichen. (lacht)
Wann startet die Vorbereitung auf die neue Saison?
Anfang Juli treffen wir uns mit der Mannschaft zum Auftakt, dann beginnt die intensive Arbeit. Den Jungs und uns als Trainer-Team bleiben also noch knappe drei Wochen.
In denen die Spieler Fußballverbot haben?
Verhindern kann man da wenig, aber es hat sich erwiesen, dass Abstand wichtig ist. Die Jungs können ruhig Fahrradfahren oder Schwimmen gehen, für die Kondition sollen sie das sogar. Der Ball darf dagegen für ein paar Tage in den Schrank, damit sie in der Vorbereitung nicht zu früh in ein Loch fallen. Dafür wollen wir die Spieler sensibilisieren, um das Level stetig zu verbessern.
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