Johan, wo erreichen wie dich gerade?
In meinem Büro in Utrecht – einer Stadt mitten in den Niederlanden. Dort lebe ich auch mit meiner Familie.
Du arbeitest als Straßen- und Wasserbau-Ingenieur.
Genau, das habe ich parallel zu meiner Karriere als Fußballer studiert. Und damals, als ich noch auf Schalke gespielt habe und auch danach, durfte ich die Arena AufSchalke mitbauen (lacht). Kurz vor der Eröffnung des Stadions bin ich wieder in die Niederlande gezogen und habe mich dann – das müsste 2000 gewesen sein – in der Umgebung von Arnheim niedergelassen. Von dort bin ich dann immer nach Gelsenkirchen gependelt zu den Spielen und zum Training. Und auch, um den Bau weiter voranzutreiben. In Utrecht bin ich nun selbstständig tätig.
Wir kommen gleich noch auf den Bau der Arena zu sprechen. Aber erst einmal die wichtigste Frage: Wie geht es dir? Wie hast du die Corona-Pandemie bisher überstanden?
Bislang bin ich in dieser nicht ganz einfachen Zeit gut klargekommen, ich bekomme in wenigen Tagen meine zweite Impfung. Und dann hoffe ich, dass ich ausreichend Widerstand aufgebaut habe, um auch in Zukunft nicht krank zu werden. Aktuell geht es mir also gut, ich bin gesund, die Familie ist gesund und ich arbeite und genieße so gut wie möglich das Leben.
Nach deiner aktiven Karriere warst du kurzzeitig Trainer im Amateurbereich und drei Jahre Mitglied des Aufsichtsrats des Königlichen Niederländischen Fußballbunds. Wenn man deine Vita genauer betrachtet, verliefen die Engagements allerdings durchwachsen. Hast du eine Erklärung dafür?
Das hat damit zu tun, dass es mir auf dem Niveau, auf dem ich damals gearbeitet habe, nicht so gut gefallen hat. Ich habe bei einem Verein etwas aufgebaut – vergleichbar mit der 3. Liga in Deutschland. Aber in den Niederlanden ist das Ligensystem anders strukturiert, hier gibt es eine Spaltung von Amateuren und Profis: die Profiteams können nicht absteigen und aufsteigen aus dem Amateurlager ist auch nicht wirklich möglich. Dann habe ich letztendlich gesagt: das gefällt mir nicht, ich muss weiterkommen. Zu diesem Zeitpunkt ergab sich die Möglichkeit, dem Aufsichtsrat des niederländischen Fußballverbands beizutreten, das habe ich dann gemacht. Und es hat mir sehr gut gefallen. Nach drei Jahren ging das Engagement dann zu Ende. Grund war, dass die Elftal, die niederländische Nationalelf, nach dem erfolgreichen Abschneiden bei der WM 2014 in Brasilien (Platz drei, Anm. der Redaktion) keine guten Leistungen gezeigt hat. Die EM-Endrunde 2016 in Frankreich und auch die WM-Qualifikation für das Turnier 2018 in Russland wurden verpasst. Daraufhin hat der Fußballverband einen personellen Schnitt gemacht. Es mussten einige Leute gehen – und ich war einer davon. Das war schade, weil mir die Aufgabe stets sehr viel Freude bereitet hat.
Wenn der Fußball nochmal ruft, dann würde ich mir das auf jeden Fall anhören.
Du hättest also gerne weiter für den Fußballverband gearbeitet?
Ich hätte dort gerne weitergemacht. Obwohl es auch klar ist, dass im Fußball immer ein Sündenbock gesucht wird, wenn es nicht so läuft wie man es erwartet. Im Fußballbereich ist es oft der Trainer, dann der Manager und am Ende der Aufsichtsrat (lacht).
Hast du dich nach dem Aus dazu entschieden, weiter als Ingenieur zu arbeiten?
Ja, während der Zeit beim Fußballverband habe ich das stets parallel gemacht. Auch in meiner Funktion als Trainer war ich in diesem Bereich tätig, allerdings mit einer geringeren Stundenanzahl als heute. Zeitweise habe ich auch ein eigenes Unternehmen geführt: einen Betrieb im Tiefbaubereich. Die Baubranche ist allerdings nicht die einfachste.
An welchem Projekt arbeitest du aktuell?
In Utrecht wird ein neuer Stadtteil errichtet, er heißt Leidsche Rijn. Das ist ein Bezirk an der Westseite der Stadt mit ungefähr 100.000 Einwohnern. Der ist fast fertig, ich habe das Projekt fast von Anfang an mitgestaltet, zusammen mit anderen Mitarbeitern der Stadt Utrecht.
Du bist mittlerweile 56 Jahre alt. Möchtest du auch in Zukunft als Ingenieur arbeiten? Oder hast du andere Pläne für die kommenden Jahre?
Meine jetzige Tätigkeit macht mir unheimlich viel Spaß. Und ich möchte sie gerne fortführen. Aber im Leben weiß man nie, was passiert. Wenn der Fußball nochmal ruft, dann würde ich mir das auf jeden Fall anhören. Dieser Bereich liegt mir noch heute sehr am Herzen. Es ist immer noch so, dass es kribbelt, wenn ein Jobangebot kommt, das mit Fußball zu tun hat.
Mein Knie war nicht mehr in der Lage, Leistungssport auf diesem Niveau betreiben zu können.
Lass uns zurückblicken auf deine Zeit auf Schalke. Wie schwer fiel es dir damals, deine Karriere verletzungsbedingt im Alter von 35 Jahren zu beenden?
Es war schwer, weil mein Körper damals nicht mehr weiterkonnte. Letztendlich war mein Knie nicht mehr in der Lage, Leistungssport auf diesem Niveau betreiben zu können. Das tat weh, ich hätte gerne noch weiter gemacht. Noch ein bis zwei Jahre, aber das ging nicht mehr.
Was ist deine schönste Erinnerung an deine 04 Jahre im königsblauen Trikot?
Ich glaube, die Antwort kann sich jeder Leser denken (lacht). Natürlich der UEFA-Cup-Sieg in der Saison 1996/1997. Das war insgesamt eines der schönsten Erlebnisse als Fußballspieler, das man sich vorstellen kann. Der Gewinn des Potts – das war unglaublich.
Du bist erst kurz vor dem Europapokal-Triumph ein Knappe geworden. Was hat eure Truppe damals ausgezeichnet?
Es hat sich eigentlich die gesamte Saison lang so aufgebaut, dass es von einem Spiel zum nächsten Spiel immer besser, höher, schöner wurde. Und dann am Ende, in Mailand, als wir das Endspiel gewonnen haben – das war der Höhepunkt. In der Liga haben wir in jenem Jahr allerdings keine Spitzenleistung gezeigt. Wir sind, glaube ich, Zehnter oder Elfter geworden. Auch, weil wir großes Verletzungspech hatten. In jedem einzelnen UEFA-Cup-Spiel sind wir aber über uns hinausgewachsen.
Hast du noch Kontakt zu ehemaligen Mitspielern?
Natürlich. Wir Eurofighter haben seit vielen Jahren eine WhatsApp-Gruppe. Vor allem, wenn jemand aus unserem damaligen Team Geburtstag hat, ist immer was los. Da kommen dann Nachrichten aus aller Welt. Marco Kurz hat mal in Australien gearbeitet, Marc Wilmots war als Trainer in Afrika tätig. Wir sind noch sehr verbunden miteinander. Es dauert auch nicht mehr lange, dann ist der Titelgewinn schon 25 Jahre her.
Im UEFA-Cup-Halbfinale hast du gegen Teneriffa einen Elfmeter verschossen. Denkst du noch ab und zu an diesen Strafstoß zurück?
Bis zu dieser Frage hatte ich den Schuss ganz gut verdrängt (lacht). Es war schade, dass ich vorbeigeschossen habe. Zum Glück war mein Fehlschuss am Ende aber nicht entscheidend. Wir sind trotzdem ins Finale eingezogen und haben Geschichte geschrieben.
Wir Eurofighter haben seit vielen Jahren eine WhatsApp-Gruppe.
Es heißt, beim Elfmeterschießen in Mailand hättest du der fünfte Schütze sein sollen. Hattest du keine Angst vor einem erneuten Fehlschuss?
Ganz ausblenden kann man so etwas natürlich nicht. Zu dem verschossenen Elfmeter gegen Teneriffa muss ich aber auch noch eines sagen: Ich hatte in meiner Karriere schon vorher einige Elfmeter geschossen. Zwar nicht auf Schalke, aber für die niederländische Nationalmannschaft und meine Vereine in Kerkrade und Utrecht. Auf Schalke war Ingo Anderbrügge der etatmäßige Schütze. Aber er hatte zuvor schon zweimal in der Liga verschossen. Und Olaf Thon hatte in Brügge das Glück nicht auf seiner Seite. Also habe ich die Verantwortung gegen Teneriffa übernommen und gesagt: Lass mich schießen. Letztendlich war das nicht die richtige Entscheidung, weil ich vorbeigeschossen habe. Aber einer musste antreten – und ich habe es damals gemacht. Beim Elfmeterschießen in Mailand musste dann ein fünfter Schütze benannt werden. Huub Stevens hat mich gefragt, ob ich schießen möchte und ich habe gesagt: Ja, ich mache das! Am Ende musste ich aber gar nicht antreten, weil wir das Ding nach dem vierten Elfmeter entschieden haben.
In Kürze feiert die VELTINS-Arena ihr 20-jähriges Jubiläum. Das Stadion kennst du wie deine Westentasche, da du rund um die Jahrtausendwende an der Entstehung beteiligt gewesen bist. Wie lief das damals ab?
Als ich 1996 vom FC Schalke 04 verpflichtet worden bin, haben Rudi Assauer und ich bereits über den geplanten Arena-Bau gesprochen. Ich habe gesagt, ich bin nicht nur Fußballspieler. Ich bin auch Bauingenieur und wäre gerne ein Teil des Projekts. Mir gefiel es, auch abseits des Platzes eine Aufgabe zu haben. Das habe ich bereits als Aktiver in den Niederlanden immer versucht. Also Profifußballer sein, aber auch meinen Beruf als Ingenieur ausleben. Zwar in Teilzeit, aber mir war es wichtig, immer noch weiterzumachen, mich weiterzuentwickeln. Den Kopf auch mal auf andere Gedanken zu bringen, Erfahrungen zu sammeln – auch in diesem Beruf. Weil ich wusste, nach meiner Profifußball-Laufbahn geht das Leben weiter. Und ich wollte auch dann noch einen Sinn im Leben haben, etwas von Bedeutung erreichen und mich nicht nur nach der Laufbahn als Fußballer hinsetzen und warten, bis ich sterbe. Darum habe ich damals auch gesagt, ich möchte bei der Entstehung des Stadions gerne mitwirken. Vom Planen der Arena bis zum Bau.
Was war deine konkrete Aufgabe?
Der Straßenbau, der Tiefbau, der Logenaufbau, also die Innenausstattung. Jedes Unternehmen hatte die Möglichkeit, sich selbst etwas bezüglich der Gestaltung zu überlegen, das musste begleitet werden. Zudem habe ich mich bei der Planung zum Verschieben des Spielfelds eingebracht. Dafür habe ich Zeitpläne entworfen, denn damals fanden unter der Woche noch Champions-League-Spiele statt. Dann wurde samstags Bundesliga gespielt, und direkt nach dem Schlusspfiff musste der Rasen raus. So konnte die Arena auch umgebaut werden: bei Bundesligaspielen sind ja Stehplätze vorhanden, diese sind bei internationalen Begegnungen aber nicht erlaubt. Vor jedem Champions-League-Spiel mussten deshalb Sitzschalen eingebaut werden. Das war immer ein ziemlich enger Zeitplan, viele Unternehmen waren damit beschäftigt. Da galt es, dass ein Rädchen ins andere greift.
Es war sicherlich eine große Ehre, Teil eines so besonderen Projekts zu sein!
Absolut. Es war für mich auch das erste Mal, dass ich ein Fußballstadion gebaut habe. Besonders gut angefühlt hat es sich, weil meine beiden Berufe zusammenkamen. Einerseits Fußballspieler, andererseits Bauingenieur. Noch heute bin ich der einzige Fußballspieler weltweit, der sein eigenes Stadion gebaut hat.
Wenn du vor der VELTINS-Arena stehst oder ein Spiel besuchst, denkst du dir dann: Dieses wunderschöne Stadion habe ich damals mitgebaut?
Ja, auch heute bin ich noch stolz darauf. Bei jedem Besuch denke ich aufs Neue daran zurück, wie es angefangen hat. An die Bauarbeiten. An alles, was stattgefunden hat. Da erinnert man sich dann wieder. Ich finde, die Arena ist noch immer ein sehr schönes Stadion. Man sieht heutzutage natürlich vermehrt moderne Neubauten, obwohl die VELTINS-Arena mit ihren nun fast 20 Jahren schon gar kein Neubau-Stadion mehr ist. Sie ist fast schon so alt wie damals das Parkstadion. Trotzdem genügt sie noch immer höchsten Standards, ist noch immer eine der modernsten Arenen auf dem Kontinent.
Ich habe gesagt, ich bin nicht nur Fußballspieler. Ich bin auch Bauingenieur und wäre gerne ein Teil des Projekts.
Besuchst du noch regelmäßig Spiele in Gelsenkirchen?
In den vergangenen anderthalb Jahren war ich nicht vor Ort – wegen der Corona-Pandemie konnte man ja leider keine Spiele besuchen. Aber ich habe fast jedes Spiel live im Fernsehen angeschaut. Wenn die Möglichkeit wieder besteht, werde ich sicherlich vorbeikommen in Gelsenkirchen.
Du bist also noch sehr gut über die Ereignisse auf Schalke informiert?
Ich habe noch einige Freunde in Gelsenkirchen und Umgebung, mit denen ich regelmäßig spreche. So weiß ich stets, wie die Lage auf Schalke ist. Ich telefoniere häufig mit Freunden aus Dorsten. Dort habe ich damals gewohnt und bin mittlerweile gerne zu Besuch – oder ich empfange Besuch aus Dorsten bei mir in Utrecht. Daher werde ich auch in Zukunft gut informiert bleiben und Schalke die Daumen für eine gute Saison drücken.
Source: © Feed by Schalke04.de