Christina Rühl-Hamers über …
… die aktuelle Finanzlage:
Um es auf den Punkt zu bringen: Wir haben die Lage im Griff, aber gut ist sie nun wirklich nicht. Die wichtigsten Zahlen sind ja bekannt: Wir haben im letzten Geschäftsjahr einen Umsatz von 175 Millionen Euro erzielt. Das ist ein Minus von 100 Millionen Euro gegenüber dem Vorjahr 2019. Im Ergebnis haben wir einen Verlust in Höhe von 53 Millionen Euro gemacht. Die Verbindlichkeiten stehen bei 217 Millionen Euro. Das sind die Zahlen aus dem Geschäftsjahr 2020. Diese Zahlen kann man nicht schönreden. Sie sind so, wie sie sind. Und diese Situation hat sich im ersten Halbjahr 2021 durch die anhaltende Pandemie nochmal verschärft. Die wichtigste Aufgabe für die nächste Zeit heißt also: Wir müssen uns erst einmal wirtschaftlich stabilisieren!
… die anstehenden Herausforderungen:
Die Pandemie wird uns weiter beschäftigen. Wir hatten und haben dadurch nicht nur erhebliche Einnahmeverluste, wir werden zudem in den nächsten Jahren 35 Millionen Euro Corona-Darlehen zurückzahlen müssen. Ein anderes Beispiel: 12,5 Millionen Euro müssen wir in den nächsten Jahren für Spieler bezahlen, die im letzten Jahr gar nicht mehr bei uns gespielt haben. Im Klartext: Wir schleppen aus der Vergangenheit einen vollgepackten Rucksack mit uns herum. Der ist voller dicker Brocken. Wir werden nicht in die Knie gehen, aber es wird schwer, überhaupt vom Fleck zu kommen. Schnelle Sprints oder gar große Sprünge sind vorläufig nicht drin. Das wirtschaftliche Handeln der Vergangenheit prägt unsere Gegenwart und wird uns auch noch in der Zukunft beschäftigen.
Das wirtschaftliche Handeln der Vergangenheit prägt unsere Gegenwart und wird uns auch noch in der Zukunft beschäftigen.
… die Gründe für die aktuelle Situation:
Ich will mich auf drei Faktoren konzentrieren. Da ist zunächst die Corona-Pandemie. Bei jedem Heimspiel ohne Zuschauer fehlen uns rund zwei Millionen Euro. Insgesamt sind uns allein im letzten Geschäftsjahr aufgrund der Corona-Pandemie 70 Millionen Euro Einnahmen weggebrochen. Wir haben viele Anstrengungen unternommen, um die Kosten drastisch zu reduzieren. Damit konnten wir aber nur einen Teil auffangen.
Nun kann man sagen: Corona hat doch alle Vereine geschüttelt. Stimmt, aber bei uns kommt jetzt der zweite Faktor dazu. Wir hatten keine Reserven, auf die wir zurückgreifen konnten. Ganz im Gegenteil. Wir mussten uns mit einem Betriebsmitteldarlehen weiter verschulden. Der Rucksack wurde nochmal schwerer. Andere Clubs haben in dieser Krise auf Reserven zurückgreifen oder gar externes Eigenkapital generieren können. Diese Option steht Schalke 04 aufgrund der Rechtsform als eingetragener Verein nicht zur Verfügung. Liebe Mitglieder, darüber werden wir in Zukunft diskutieren. Nicht heute, aber dieses Thema müssen wir zur richtigen Zeit angehen.
Nun kann man sagen: Die Struktur war aber nicht der alleinige Grund für die schlechten Zahlen. Stimmt, denn neben Corona und fehlenden Möglichkeiten externes Eigenkapital zu generieren, gab es nämlich noch einen weiteren Faktor: Viele andere Fußballclubs, egal in welcher Rechtsform, haben über lange Jahre hinweg bessere Entscheidungen als der S04 getroffen! Bessere Entscheidungen in vielen Bereichen, bessere Entscheidungen auf vielen Ebenen, bessere Entscheidungen in vielerlei Hinsicht. Damit ihr mich alle richtig versteht: Es geht hier nicht um nachträgliche Schuldzuweisungen. Aber klar ist doch auch: Wir wären nicht da, wo wir jetzt sind, wenn wir alle nicht Fehler gemacht hätten. So selbstkritisch müssen wir sein, da dürfen wir uns nichts vormachen. Sonst kommen wir nämlich nie aus dieser Lage raus. Jetzt gilt es, die Vergangenheit zu analysieren, um die Zukunft besser gestalten zu können!
… bereits ergriffene Maßnahmen:
Zunächst einmal haben wir viel unternommen, um die Kosten deutlich zu reduzieren und die Einnahmen einigermaßen stabil zu halten. Wir haben das Projekt „Berger Feld“ erst einmal gestoppt. Wir haben Tilgungsstundungen für die nächste Saison erreicht. Das war wirklich nicht einfach, aber wichtig. Trotzdem ist dies auch nur eine Verschiebung des Problems in die Zukunft. Wir haben zur Refinanzierung der auslaufenden Anleihe eine neue Unternehmensanleihe aufgelegt.
Zunächst einmal haben wir viel unternommen, um die Kosten deutlich zu reduzieren und die Einnahmen einigermaßen stabil zu halten.
… ihre Strategie:
Mein oberstes Prinzip in zwei Worten: kaufmännische Vernunft. Das heißt: Es geht immer um eine solide mittel- bis langfristige Perspektive. Wir dürfen uns nicht mehr vom Streben nach kurzfristigem sportlichem Erfolg treiben lassen. Emotionen dürfen bei Entscheidungen keine Rolle spielen. Im Klartext: Mit mir als Finanzvorstand wird es keine Wette auf die Zukunft geben. Wir geben nur das Geld aus, was wir haben und nicht das, von dem wir glauben, – oder hoffen – es in Zukunft zu haben. So werden wir zukünftig auch wieder in die Lage kommen, wieder proaktiv zu handeln, statt primär nur zu reagieren. So machen wir Schalke auch krisenfester.
… den Liga-Start:
Auf die kommende Saison 2021/2022 sind wir gut vorbereitet. Wir haben einen Zweitliga-Etat aufgestellt, der es uns ermöglicht unsere sportlichen Ambitionen zu erreichen. Sogar ein weiteres Jahr in der Zweiten Liga haben wir aus finanzieller Sicht konkret in unseren Planungen als ein Szenario berücksichtigt.
Auch das ist mein Job. Es gilt aber auch weiterhin: Das wirtschaftliche Handeln in der Vergangenheit prägt unsere Gegenwart und wird uns auch noch in der Zukunft beschäftigen. Ich bin mir allerdings sicher: Wir stehen sogar, trotz allem, vor einer guten Zukunft.
… die Kraft von Schalke 04:
Wir dürfen uns nicht kleiner machen als wir sind. Unser FC Schalke 04 ist ein großartiger Club, der mit seinen Fans und Mitgliedern eine ungeheure Kraft entwickelt. Wir müssen diese Kraft, diese Energie, diese Leidenschaft endlich bündeln und gemeinsam in eine Richtung lenken, denn dann kommen wir wieder dahin, wo wir hinwollen: finanziell, sportlich und emotional nach oben. Lasst uns beides sein: ambitioniert und realistisch!
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