Dr. Jens Buchta über …
… Gründe für den Absturz in der Saison 2020/2021:
Ein schwieriges, absolut unbefriedigendes Jahr liegt hinter unserem Verein. Die Corona-Pandemie mit erheblichen Einschränkungen in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens, Umsatzeinbußen allenthalben und Geisterspielen ohne die beflügelnde Unterstützung unserer Fans haben uns maximal hart getroffen – wirtschaftlich und emotional. Wir konnten den Abstieg nicht verhindern, die sportliche Talfahrt nicht aufhalten. Nicht durch mehrere Trainerwechsel, nicht durch die Verpflichtung diverser Spieler im Winter, nicht durch alle Maßnahmen der sportlich Verantwortlichen. Es wäre zu einfach, aus meiner Sicht die Schuld bei einem Verantwortlichen allein zu suchen. „Den Schuldigen“ gibt es nicht für diese Misere. Die Entwicklung zeigt, dass sich verschiedene falsche Entscheidungen in vielen Bereichen über vier, fünf Jahre hinweg summiert und uns an diesen Punkt gebracht haben. Die Erfahrung, dass sich derartige Fehler im sportlichen Bereich nicht „mal eben“ revidieren lassen, die machen wir gerade.
… Kritik und Analyse:
Natürlich haben wir die Gefahren dieser Fehlentwicklung frühzeitig erkannt. Aufgrund einer Vielzahl von teuren und vor allem langfristigen Verträgen erfordert eine solche Korrektur daher Zeit. Trotzdem müssen wir uns kritisch hinterfragen, ob wir vielleicht einige Entscheidungen schneller hätten treffen können. Ob wir zu lange gewartet haben mit der Trennung von Plänen und Personen: wahrscheinlich ja. Dies ist aber auch immer eine Frage von Alternativen und wirtschaftlichen Gestaltungsmöglichkeiten. Hier hat gerade in diesem Jahr die Corona-Pandemie die wirtschaftlichen Spielräume stark verkleinert.
Wir haben viele Aspekte auf den Prüfstand gestellt. Das ist unangenehm, aber wir können und müssen zu Recht von jedem erwarten, dass er sich Kritik stellt, sei es an seiner Person, seinen Aufgaben, seiner Intention oder seiner Leistung. Das gilt ausdrücklich für alle: für die Mannschaft, die sportlich Verantwortlichen, uns Mitglieder in den Gremien, natürlich auch für mich als Aufsichtsratsvorsitzenden – einfach alle. Ich bin der festen Überzeugung, Ruhe und Besonnenheit sind gute Berater, wenn man grundlegende Entscheidungen zum Wohle unseres Vereins zu treffen hat. Für Egoismen, für vereinsschädigendes Verhalten darf und wird weiterhin kein Platz sein. Wenn Eigeninteressen in den Vordergrund treten, wenn forcierte mediale Inszenierungen von Gruppen und Personen zur Peinlichkeit werden – dann gibt man wissentlich unseren Verein der Lächerlichkeit preis und schädigt ihn nachhaltig. Das ist nicht akzeptabel.
Professionelle und zeitgemäße Strukturen sind die Voraussetzungen für Erfolg. Da haben wir erheblich nachjustiert und strukturelle Fehler der Vergangenheit beseitigt.
… Weichenstellungen:
Der Aufsichtsrat engagiert sich mit vielerlei Sachverstand – wirtschaftlich, juristisch und sportlich. Wenn wir alle ehrlich zu uns sind und aus der Analyse der Situation die richtigen Schlüsse ziehen und konsequent danach handeln – dann werden wir wieder in die richtige Spur kommen. Diesen Weg gestalten wir gerade. Hierfür haben wir als Aufsichtsrat in den letzten Monaten die Weichen gestellt. Professionelle und zeitgemäße Strukturen sind die Voraussetzungen für Erfolg. Da haben wir erheblich nachjustiert und strukturelle Fehler der Vergangenheit beseitigt. Beispielsweise, indem wir mit der Verpflichtung von Peter Knäbel als Sportvorstand, der sehr strategisch arbeitet und der mit Rouven Schröder als starkem Sportdirektor den Lizenzspielerbereich neu aufstellt, erstmals in der Geschichte von Schalke 04 die Entscheidungen im Sport auf mehrere Schultern verteilt haben. Eine Entscheidung, die für die Zukunft des Vereins extrem wichtig sein wird. Der Sportvorstand als Solo-Frontmann, der allein im operativen Geschäft rund um die Profimannschaft agiert und alles, Kabine wie Vertragliches, perfekt im Griff hat – diese Zeiten sind vorbei.
… Änderungen in Vorstand und Aufsichtsrat:
Wir haben den neuen Weg auch gestaltet, indem wir Christina Rühl-Hamers in den Vorstand berufen haben, die dort im Ressort Finanzen bei unseren vielen großen wirtschaftlichen Herausforderungen mit großer und klarer kaufmännischer Vernunft agiert. Und auch aktuelle Entscheidungen in Bezug auf ein neues Vorstandsmitglied stehen an, denn die Suche nach einem Nachfolger oder einer Nachfolgerin von Alexander Jobst für das Ressort Marketing und Vertrieb läuft bereits. Welches Gesicht der Vorstand danach haben wird, ob es vielleicht einen Vorstandsvorsitzenden geben wird – das werden wir sehen.
Auch im Aufsichtsrat selbst hat sich einiges getan. Einige haben wir im letzten Jahr verloren, und neue, bisweilen auch bekannte Gesichter sind nachgerückt. Besonders freue ich mich, dass wir die sportliche Kompetenz im Gremium mit Youri auch nach dem Ausscheiden von Huub weiter auf höchstem Niveau halten können. Auch vereinspolitisch hat der Aufsichtsrat genau hingehört und hat – nachdem es bereits seit einigen Jahren Wunsch vieler Mitglieder war – einen Satzungsänderungsantrag zur Änderung des Wahlverfahrens für den Ehrenrat zugelassen.
… Vereinsphilosophie:
Es ist für uns wichtiger denn je, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Zentraler Punkt wird dabei die Beibehaltung einer klaren und – wenn erforderlich – auch restriktiven Finanzpolitik sein. Auch wenn uns die schnelle Rückkehr in die Bundesliga gelingen sollte, darf es keine Rückkehr zu „Wetten auf den sportlichen Erfolg“ geben. Wir müssen mit unserem Verein sehr, sehr vorsichtig umgehen, gut auf ihn aufpassen und dürfen ihn nicht noch einmal überfordern. Wenn uns das gelingt, dann gestalten wir einen nachhaltigen Weg für den FC Schalke 04.
Es ist für uns wichtiger denn je, die richtigen Entscheidungen zu treffen.
… seinen Abschied aus dem Aufsichtsrat:
Erlauben Sie mir ein persönliches Schlusswort: Wenn ich heute nach 15 Jahren aus dem Aufsichtsrat ausscheide, dann will ich das nicht tun, ohne mich bei ganz vielen Menschen für die Begleitung dieser 15 Jahre zu bedanken. Ich bedanke mich zunächst beim Vorstand für eine lange und vertrauensvolle Zusammenarbeit. Stellvertretend für alle geht mein Dank an Peter Peters und Alexander Jobst. Mein Dank geht auch an den Aufsichtsrat. Insbesondere in den letzten Jahren haben viele von euch in ganz schwerer Zeit Verantwortung übernommen. Ich weiß, dass ihr euch oft große Sorgen gemacht habt, was aus Schalke 04 wird. Dadurch, dass ihr diese Verantwortung übernommen habt, seid ihr dem Auftrag der Mitgliederversammlung gerecht geworden. Dieses Auftrags und dieser Verantwortung ist sich aber leider nicht jeder im vergangenen Jahr bewusst gewesen. Mancher hat sogar mit dazu beigetragen, dass unser Verein inmitten der schwersten Krise weiteren Schaden genommen hat, und den Aufsichtsrat damit hintergangen. Zum Schluss, und das mit großem Bedacht, geht mein Dank an die vielen, vielen Mitarbeiter des Vereins, die in unglaublich engagierter Art den Aufsichtsrat und mich persönlich in den letzten 15 Jahren bei der Arbeit unterstützt haben. Wenn sie dieses Engagement beibehalten, mache ich mir um Schalke 04 nur wenig Sorgen.
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