Frederik, im coronafreien Alltag würden sich im Stadion die Fans dicht an dicht drängen, um euch zu unterstützen. Was lösen diese verwaisten Punkte in dir aus?
Es ist komisch, ein solch großes Gelände menschenleer zu erleben. Aber das gilt nicht nur für Fußballstadien, auch andere Lebensbereiche sind aktuell wie ausgestorben. Im Vergleich dazu, dass auf der ganzen Welt die Menschen durch Corona ihre Jobs oder gar ihr Leben verlieren, ist das hier das wesentlich kleinere Übel. Ich betrachte es recht differenziert. Man gewöhnt sich sogar zwangsweise ein Stück weit an diese Situation.
Dabei kann die Kurve speziell Torhütern den Rücken stärken …
Absolut, doch das gilt für jeden Spieler auf dem Feld. Deshalb sehe ich im Fehlen der Fans auch einen Grund, weshalb es in dieser Saison bislang nicht wie erhofft lief. Wenn ich mich an den Dezember 2019 erinnere, als ich mit Frankfurt auf Schalke zu Gast war – das hier ist eigentlich kein Ort, an den du als Gastmannschaft gerne reist. Die Atmosphäre ist bekannt und bei Gegnern teilweise gefürchtet. Jetzt fehlt dieser Einfluss von außen komplett, dabei hätte er uns in so manch schwieriger Situation bestimmt helfen können.
Als du auf Schalke angekommen bist, konnte dich in Goncalo Paciencia ein bekanntes Gesicht aus der Frankfurter Zeit begrüßen. Hast du dich im Vorfeld bei ihm erkundigt, wie Schalke tickt?
Wir haben uns nach dem ersten Saisonspiel ein wenig ausgetauscht. Er hat mir vom Potenzial in der Mannschaft berichtet, aber auch vom denkbar ungünstigen Auftakt. Als mein Wechsel konkrete Züge annahm, ging alles ganz schnell, doch durch die Gespräche mit Goncalo hatte ich keine Zweifel. Und in den ersten Wochen tat es gut, bereits jemanden in der Kabine zu kennen.
Die Atmosphäre ist bekannt und bei Gegnern teilweise gefürchtet. Jetzt fehlt dieser Einfluss von außen komplett.
Und der private Anschluss?
Wir sind erstaunlich schnell angekommen, haben zügig eine Wohnung gefunden. Das war mir persönlich sehr wichtig, denn ich kann Berufliches und Privates gut voneinander trennen. Wenn ich vom Fußball heimkomme, stehen meine Freundin Sarah und unser Sohn Theodor ganz oben auf der Prioritätenliste. Und als Familie braucht man ein Zuhause, also haben wir uns schnell darum bemüht.
Seit 14 Monaten bereichert Theodor dein Leben. Wie fühlt sich die Vaterrolle an?
Es ist unglaublich und schwer zu beschrieben. Meine vergangenen Jahre wurden sehr durch sportlichen Wettbewerb bestimmt, durch Konkurrenz und die Frage nach Siegern und Verlierern. Und plötzlich habe ich einen kleinen Mann auf meinem Arm, der von alledem nichts weiß. Für ihn zählen nur Mama und Papa, das beeinflusst auch meinen Alltag und hat mir in der Zeit sehr geholfen. Ob es im Spiel oder im Training gut oder schlecht lief – das rückt in meinem Kopf weit nach hinten, wenn ich nach Hause komme und mein Sohn auf mich wartet.
Deine Familie hat sicher eine große Rolle in den Überlegungen gespielt, das Umfeld in Frankfurt zu verlassen …
Hin und wieder kann es zu Reibungen zwischen deinen Prioritäten und möglichen Perspektiven kommen. Das war einer dieser Fälle, denn wir hatten in Frankfurt ein wirklich gutes Leben, als Familie waren wir absolut zufrieden. Nur sportlich war ich es eben nicht, und ich habe gespürt, dass ich mich verändern und eine neue Chance suchen muss. An diesem Punkt musste ich auch ein bisschen egoistisch sein und den Stress, den ich uns zumute, in Kauf nehmen. Mir eröffneten sich einige Möglichkeiten, davon war Schalke die für mich beste Option. Sarah und Theodor mussten das hinnehmen, doch sie haben es gut weggesteckt. Heute kann ich sagen, dass ich sehr froh bin, diesen Schritt gegangen zu sein.
Welche Werte ihm seine Eltern mit auf den Weg gaben, welche Musikinstrumente er beherrscht und was der Hobbykoch Rönnow an Weihnachten kredenzt – all das lesen Mitglieder im neuen Schalker Kreisel, der zum Heimspiel gegen Bielefeld verschickt wurde und zudem digital abrufbar ist.
Der Beitrag Frederik Rönnow im Kreisel-Interview: Nah dran erschien zuerst auf Fußball.
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