Memo, für dich ist es die erste Vorbereitung als Profi. Was ist bislang der größte Unterschied im Vergleich zu der Zeit in der Knappenschmiede?
Die Intensität ist ähnlich wie in der U19. Norbert Elgert hat mit uns ebenfalls sehr intensiv trainiert, allerdings waren unsere Trainingslager nicht so lang wie das jetzt in Mittersill. Dank der Zeit in der Knappenschmiede habe ich auf jeden Fall nicht das Gefühl, dass ich körperlich nicht mithalten kann. Ich fühle mich gut, trotz der harten Arbeit macht die Vorbereitung auch viel Spaß. Wir alle wissen ja, wofür wir arbeiten – für eine gute Saison mit dem FC Schalke 04.
Du bist bereits im Alter von zwölf Jahren zum FC Schalke 04 gewechselt und hast sicherlich wie jeder fußballbegeisterte Junge davon geträumt, Profi zu werden. Wann hast du gespürt, dass dir der Sprung in den Lizenzspielerbereich tatsächlich gelingen kann?
Daran geglaubt habe ich schon immer. Als ich als Zwölfjähriger hierhergekommen bin, war es mein Ziel, irgendwann einmal ein Bundesligaspiel in der VELTINS-Arena zu bestreiten. Es mag jetzt vielleicht etwas komisch klingen, aber ich meine es auch keinesfalls überheblich: Mir war schon früh bewusst, dass ich über fußballerisches Talent verfüge. Das allein reicht aber natürlich nicht. Man muss Tag für Tag hart an sich arbeiten und am Ball bleiben, darf niemals den Ehrgeiz und das Ziel aus den Augen verlieren. Ich war stets fokussiert, habe zudem häufig bereits als Jungjahrgang in den Altjahrgängen gespielt. Auch das hat mir geholfen. Beim Sprung aus der U17 in die U19 habe ich mir erhofft, dass Herr Elgert mir die letzten noch fehlenden Prozente vermitteln wird, um es zu den Profis schaffen zu können.
Man muss Tag für Tag hart an sich arbeiten und am Ball bleiben, darf niemals den Ehrgeiz und das Ziel aus den Augen verlieren.
Deine Heimat Aachen ist rund 150 Kilometer von Gelsenkirchen entfernt. Hast du bei deinem Wechsel zum S04 auch deinen Wohnort ins S04-Internat verlegt?
Nein, ich habe weiterhin bei meinen Eltern gelebt und bin täglich zum Training nach Gelsenkirchen gependelt. Zwei Stunden hin, zwei Stunden zurück. Meine Mutter hatte sich damals gewünscht, dass ich zu Hause wohnen bleibe. Der zeitliche Aufwand war immens, aber ich bereue keinen einzigen Tag und sehe es heute als richtige Entscheidung an, auch wenn die Tage phasenweise sehr, sehr stressig und lang gewesen sind.
Wie sah dein Tagesablauf als Jugendspieler aus?
Ich bin morgens um 7 Uhr aufgestanden und dann zur Schule gegangen. Danach hat mich mein Vater abgeholt und mich nach Gelsenkirchen gefahren. Gegessen habe ich im Auto, auch meine Hausaufgaben habe ich meistens auf der Autobahn gemacht. Nach dem Training auf Schalke gings dann zurück in die Heimat. Ankunft war stets gegen 22 Uhr. Wenn ich zu Hause war, wollte ich einfach nur noch ins Bett. Denn am nächsten Tag hat der Wecker wieder um kurz vor sieben geklingelt. Das Ganze habe ich insgesamt sechs Jahre lang durchgezogen – und es hat ganz gut geklappt. Die schulischen Leistungen haben neben dem Fußball nicht gelitten. Das hätten meine Eltern auch nicht akzeptiert. Ich bin meiner Mutter und meinem Vater sehr, sehr dankbar. Sie haben es mir ermöglicht, Fußball auf Schalke zu spielen. Heute sind sie wahnsinnig stolz auf mich. Andersrum bin ich stolz auf sie. Dass ich den Sprung in den Profifußball tatsächlich geschafft habe, ist ein Erfolg unserer gesamten Familie.
Fährst du auch heute noch immer die zwei Stunden täglich zum Training hin und dann auch wieder zurück?
Nein. Seit etwas mehr als einem Jahr wohne ich in Gelsenkirchen in meiner ersten eigenen Wohnung und stehe auf eigenen Beinen.
In der Rückrunde der abgelaufenen Saison hat Dimitrios Grammozis dir viel Vertrauen geschenkt. Was war dein erster Gedanke, als du erfahren hast, dass du am 3. April gegen Bayer Leverkusen in der Startelf stehen wirst?
Zwei Tage vor dem Spiel kam der Trainer auf mich zu und hat gesagt, dass ich eine Option für die Anfangsformation bin. Er hat zwar nicht direkt gesagt, dass ich spiele. Aber ich sollte mich einfach darauf vorbereiten, dass es so sein könnte. Im ersten Moment war ich sehr aufgeregt. Vor allem aber war ich bereit. Denn auf diese Chance hatte ich lange hingearbeitet. In meinen Augen waren die Anspannung, aber auch die Vorfreude und die Bereitschaft die perfekte Mischung, um mich auf das Duell in der BayArena vorzubereiten. Bis zum Gang in die Kabine war ich dann aber schon nervös. Aber als ich dann dort saß, meine Schuhe und mein Trikot angezogen habe, hatte ich einfach nur noch Bock auf das Spiel.
Was hast du mit dem Trikot aus diesem Spiel gemacht?
Das habe ich meinem Vater geschenkt. Dieses Trikot ist etwas ganz Besonderes – deshalb war für mich sofort klar, dass es ein ganz besonderer Mensch in meinem Leben bekommen wird.
Dein U19-Trainer Norbert Elgert hat gesagt, dass er stolz darauf gewesen ist, dass du in der Bundesliga überzeugen konntest, obwohl du aufgrund des Saisonabbruchs in der A-Junioren Bundesliga nahezu ein halbes Jahr ohne Spielpraxis gewesen bist. Wie ist es dir gelungen, so schnell deinen Rhythmus zu finden? Denn nach deinem Debüt durftest du dich noch in fünf weiteren Begegnungen beweisen.
Nach der Saisonunterbrechung haben die Verantwortlichen der Knappenschmiede ein Konzept erarbeitet, dass es uns ermöglicht hat, weiterhin an uns und unseren fußballerischen Fähigkeiten zu arbeiten. Rückblickend betrachtet habe ich in diesem Zeitraum vielleicht sogar mehr trainiert als in einer normalen Saison. Deshalb war die Intensität im Profifußball kein Problem für mich.
Immer wach sein, immer 100 Prozent geben, niemals abschalten.
In den vergangenen Jahren haben immer wieder Spieler den Sprung aus der Knappenschmiede geschafft. Was macht die Nachwuchsförderung auf Schalke aus deiner Sicht so erfolgreich?
Wenn ich dieses Interview noch als U19-Spieler geben würde, hätte ich vielleicht nicht direkt eine treffende Antwort parat. Letztlich ist es aber gar nicht so schwer: Es ist die gute Arbeit in der Knappenschmiede mit dem finalen Jahr in der A-Jugend, in dem ich unter Herrn Elgert so viel gelernt habe. Das war mir zum jeweiligen Zeitpunkt manchmal aber gar nicht so bewusst. Es gab Tage, da wollte ich den einen oder anderen Ratschlag nicht hören, sondern einfach Fußball spielen. Jetzt weiß ich aber, dass alles, was mir vermittelt worden ist, extrem geholfen hat. Herr Elgert war kein reiner Trainer, der unser Fußballspiel verfeinert hat. Er hat uns auch darauf vorbereitet, was es heißt, Profi zu sein. Immer wach sein, immer 100 Prozent geben, niemals abschalten. Dazu die Fähigkeit, auch mit Druck und negativen Situationen umzugehen. Die Zeit in der U19 war sehr wertvoll.
Gibt es einen oder auch mehrere Spieler im Team, an denen du dich orientierst, die dir auf und neben dem Platz Hilfestellungen geben?
Wenn du als Jugendspieler hochkommst, dazu noch in einer Phase, in der es sportlich alles andere als gut läuft, dann hältst du dich erst einmal zurück. Deshalb bin ich noch heute sehr dankbar dafür, dass unser Torhüter Michael Langer mir bei der Integration geholfen und wertvolle Tipps gegeben hat. Auch bei den Spielen. Da hat er mich von außen gepusht. Auch einige andere Spieler waren mir eine Hilfe. Doch was Michael Langer gemacht hat, das war ganz großer Sport. Aber auch Mike Büskens war und ist nach wie vor sehr wichtig für mich. Er hat sich immer wieder Zeit für die jungen Spieler genommen und macht das auch heute noch. Dafür bin ich ihm sehr dankbar.
Hast du in der kurzen Sommerpause Zeit gehabt, um die vergangenen Wochen und Monate zu verarbeiten? Dein Debüt, aber auch den Gang in die Zweitklassigkeit?
Nach meinem Debüt habe ich erst einmal zwei bis drei Wochen benötigt, um zu realisieren, dass ich wirklich in der Bundesliga aufgelaufen bin. Leider habe ich in einer Phase meine Premiere gefeiert, in der es alles andere als erfreulich lief. Dass die Saison mit dem Abstieg geendet ist, tat einfach nur weh. Aber ich bin jemand, der aufsteht, der positiv nach vorne schaut. Wir können die Vergangenheit nicht mehr ändern. Jetzt gilt es, die Zukunft erfolgreich zu gestalten. Dazu möchte ich meinen Teil beitragen!
Im Testspiel gegen die Sportfreunde Hamborn 07 ist dir zuletzt dein erster Treffer als Profi gelungen. Zwar war es „nur“ ein Testspiel. Dennoch: Wie hat sich das angefühlt?
Es tat gut. Nicht unbedingt wegen des Tores, sondern einfach, weil wir Zuschauer hatten. Kerim Calhanoglu, der ebenso wie ich aus der U19 kommt, und ich haben noch nie vor einer größeren Kulisse gespielt. Deshalb hoffe ich, dass es bald soweit sein wird. Es muss sich unglaublich anfühlen, in der VELTINS-Arena einzulaufen, wenn die Nordkurve voll besetzt ist. Eine ungefähre Vorstellung davon habe ich bereits, denn ich stand schonmal am Rasen, als das Stadion ausverkauft war.
Als Balljunge?
Nein, als Zuschauer nach dem Champions-League-Spiel gegen Real Madrid vor einigen Jahren. Die Verantwortlichen aus der Knappenschmiede hatten es mir ermöglicht, nach dem Abpfiff am Spielfeldrand zu stehen. Dort sind dann alle Spieler an mir vorbeigelaufen und ich konnte die Atmosphäre hautnah erleben. Es war schon cool, ein, zwei Meter entfernt von Cristiano Ronaldo zu stehen.
Ist Cristiano Ronaldo dein Vorbild?
Als Vorbild würde ich ihn nicht bezeichnen. Aber er ist einer meiner Lieblingsspieler. Und das nicht nur wegen seiner fußballerischen Fähigkeiten. Mir imponiert, dass er auch im Alter von 36 Jahren noch immer jeden Tag der Beste sein will. Er hat eine top Einstellung, arbeitet täglich hart an sich. Ein richtiges Idol habe ich aber nicht. Ich will meinen eigenen Weg gehen, möchte meine eigene Geschichte schreiben.
Mein Ziel ist es, jeden Tag ein bisschen besser zu werden.
Neuzugänge müssen traditionell zum Einstand singen. Hast du schon ein Liedchen zum Besten gegeben?
Nicht nur eins. Meine Mitspieler haben mich ausgetrickst (lacht). In der vergangenen Saison hieß es am Tag nach einem Spiel beim Training, wenn ich jetzt singe, dann sei das Thema durch. Wir saßen dabei zusammen in der Athletikhalle auf Fahrrädern. Und dann habe ich losgelegt. Zuletzt beim Kurztrainingslager in Billerbeck konnte oder wollte sich aber niemand mehr daran erinnern. Also hatte ich erneut einen Auftritt. Und ich bin ehrlich: Singen ist nicht meine Stärke. Als ich damit durch war, habe ich gesagt, dass ich sehr lange auf Schalke spielen werde. Damit ich nicht woanders wieder singen muss (lacht).
Wie lauten deine Ziele für die anstehenden Wochen und Monate?
Ich habe zuletzt die Chance bekommen, mich zu beweisen. Und ich denke, diese Chance habe ich ganz gut genutzt. Jetzt geht es darum, die Leistung nicht nur zu bestätigen, sondern weiter zu steigern. Mein Ziel ist es, jeden Tag ein bisschen besser zu werden, damit ich der Mannschaft helfen kann. Ich möchte, dass die Fans Freude an unserem Spiel haben.
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