Oliver, wie lautete dein Auftrag, als du am 21. Mai 1997 in der 111. Spielminute den Rasen des Mailänder Giuseppe-Meazza-Stadions betreten hast?
Ich kam für Radek Latal in die Partie und hatte eigentlich drei Dinge mit auf den Weg bekommen. Erstens: zusehen, dass über unsere rechte Abwehrseite nichts anbrennt. Es stand ja 1:0 für Inter, nachdem wir das Hinspiel mit 1:0 gewonnen hatten – ein weiterer Treffer für die Italiener hätte also das Ende unserer Träume bedeutet. Zweitens: Ich sollte Druck machen und schauen, ob offensiv noch was geht. Schließlich waren wir nach dem Platzverweis gegen Salvatore Fresi in Überzahl.
Und der dritte Teil deiner Mission?
Wenn ein Trainer in einem Spiel, das aufs Elfmeterschießen zusteuert, so spät auswechselt, macht er das immer auch mit Blick auf die möglichen Schützen.
Huub Stevens hatte dich also vorgesehen?
Letztlich mussten ja nur vier von uns antreten: Ingo Anderbrügge, Olaf Thon, Martin Max und Marc Wilmots. Als Nummer fünf hätte wahrscheinlich Johan de Kock geschossen. Und ich vermute mal: Ich wäre der sechste Schütze gewesen.
War das so besprochen?
Nein, Stevens benannte die Spieler einzeln, Durchgang für Durchgang. Ich hätte aber keine Sekunde gezögert, da ich immer ein sicherer Elfmeterschütze war. Ich kann mich jedenfalls nicht erinnern, jemals verschossen zu haben.
Zunächst sah es so aus, als wolltest du die Entscheidung früher erzwingen: Unmittelbar nach deiner Einwechslung hast du Inters Linksverteidiger Pistone zum Tänzchen gebeten und entschlossen in die Mitte geflankt – allerdings hinters Tor.
(schmunzelt) Wie gesagt, ich sollte schauen, ob offensiv noch was geht. Ich war ja frisch.
Hattest du wackelige Knie, als du in dieser entscheidenden Phase in so ein wichtiges Spiel gekommen bist?
Am Abend vorher hatte ich vielleicht ein Stündchen länger zum Einschlafen gebraucht als sonst. Als ich während des Spiels auf der Bank saß, überkam mich ebenfalls der eine oder andere Gänsehaut-Schauer. Es waren gefühlt 100.000 Zuschauer im Stadion, und es kann mir keiner erzählen, dass er angesichts dieser Kulisse keinen Respekt empfand. Andererseits hatten wir 30.000 mitgereiste Schalker im Rücken. Das zu spüren, war überragend. Außerdem waren wir so gefestigt, dass wir auf dem Platz nichts und niemanden zu fürchten brauchten. Auch wenn wir während des Hinflugs nicht offen über den Titel gesprochen hatten, keiner von uns wollte in Mailand bloß einen guten Eindruck hinterlassen. Wir alle wollten nur eins: den Pott in den Pott holen.
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Der Beitrag Oliver Held im Kreisel-Interview: Ich wäre der sechste Schütze gewesen erschien zuerst auf Fußball.
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