Was macht eigentlich … Holger Gehrke?

Seit seinem Abschied aus dem Trainerstab vor knapp sechs Jahren hat Holger Gehrke viel erlebt. Die Teilnahme an der Europameisterschaft 2016 – bei dem Turnier in Frankreich war er Torwart-Trainer der ungarischen Nationalelf – dürfte den meisten Fans bekannt sein. Darüber hinaus kann der 59-Jährige aber noch von einigen weiteren Abenteuern berichten. Zudem hat er eine zweite Karriere gestartet und ist in einer anderen Sportart sogar Nationalspieler geworden. Im Interview mit schalke04.de spricht der sympathische Ex-Keeper über Jobs in der Karibik, sein fußballerisches Engagement auf Mallorca sowie seine große Leidenschaft: Padeltennis.

Holger, wo erreichen wir dich gerade?
Auf Mallorca. In der jüngeren Vergangenheit bin ich gependelt. Mal war ich in Deutschland, mal auf Mallorca. Wie lange ich jetzt hier bleibe, ist noch unklar. Denn aktuell gilt in ganz Spanien aufgrund der andauernden Corona-Pandemie eine Ausgangssperre. Einzig der Gang zum Supermarkt ist erlaubt, alles andere ist untersagt. Selbst die Baustellen stehen still.

Wie ist die Situation auf der spanischen Baleareninsel: Gibt es viele Corona-Fälle?
Zum Glück nicht. Die Zahlen halten sich in Grenzen, das sieht in anderen Teilen des Landes leider ganz anders aus. Ich hoffe, dass der Spuk bald ein Ende nimmt. Die Ruhe ist schon ein wenig gruselig. Die Polizei kontrolliert regelmäßig, ob sich alle Menschen an die Regeln halten. Ich habe zum Glück eine große Terrasse und auch einen großen Garten, in dem ich mich bewegen kann. Ein Spaziergang am Strand ist hingegen nicht möglich. Ich gucke aus dem Wohnzimmer zwar direkt aufs Meer, darf aber nicht hin.

Du weilst allerdings nicht auf Mallorca, um bloß auszuspannen. Seit einiger Zeit bist du als Trainer einer Ferien-Fußballschule, dem „Fussicamp Mallorca“, tätig.
Wenn die Corona-Pandemie uns nicht gestoppt hätte, wären in diesem Jahr in den Camps in Cala Millor und Santanyi über 1000 Mädchen und Jungs dabei gewesen. Nun heißt es abwarten. Wir müssen schauen, wann es weitergeht. Um die Kids derzeit für den Fußball zu begeistern, fordere ich sie auf Instagram und Facebook immer wieder zu kleinen Wettbewerben heraus, die sie in den eigenen vier Wänden absolvieren können.

Wer nimmt an den Fussicamps teil?
Zum einen die Kinder der Mallorquiner, aber vor allem Mädchen und Jungs, die den Urlaub mit ihren Eltern hier verbringen. Bald soll es übrigens ein gemeinsames Projekt mit der Fußballschule des FC Schalke 04 geben. Die Planungen laufen bereits.

Ich habe an einem Ort auf der Welt arbeiten dürfen, den ich vermutlich sonst niemals kennengelernt hätte.

Holger Gehrke

Deine langjährige Erfahrung als Bundesliga-Torwart sowie später als Fußballlehrer gibst du aber nicht nur an den Nachwuchs weiter. Zuletzt hast du als Torwart-Trainer von Antigua und Barbuda gearbeitet. Wie kam es zu diesem auf den ersten Blick ungewöhnlichen Engagement?
Michel Dinzey, der in der Bundesliga unter anderem für den VfB Stuttgart, Hertha BSC und den TSV 1860 München am Ball war, ist Nationaltrainer von Antigua und Barbuda und war auf der Suche nach einem Torwart-Trainer. Über gemeinsame Bekannte wurde der Kontakt vermittelt.

Ihr seid beide gebürtige Berliner. Hattet ihr zuvor bereits einmal zusammengearbeitet?
Nein, kurioserweise kannten wir uns nicht einmal. Natürlich wusste jeder, wer der andere ist und wie der bisherige Werdegang verlief, aber persönliche Kontakte gab es nicht. Allerdings haben wir in unserem Bekanntenkreis rund 40 Personen, die mit uns beiden befreundet sind. Da hat es bei dem einen oder anderen ‚klick‘ gemacht, als über den vakanten Posten gesprochen wurde.

Welche Erfahrungen hast du bei deinem Engagement in der Karibik gemacht?
Antigua und Barbuda ist wunderschön. Ich habe an einem Ort auf der Welt arbeiten dürfen, den ich vermutlich sonst niemals kennengelernt hätte. Natürlich war es ein Abenteuer – und die Arbeitsbedingungen sind nicht mit denen in Europa zu vergleichen. Die Trainingsplätze sind in einem schlechten Zustand, die Utensilien für die Einheiten teilweise mau. Dafür waren alle Spieler und auch die Torhüter hochmotiviert. Die Jungs haben eine tolle Mentalität. Etwas gewöhnungsbedürftig war manchmal die Spielvorbereitung (lacht). Auf der Fahrt zu den Spielen wurde beispielsweise im Bus laut musiziert und gesungen. Alles in allem habe ich tolle Erfahrungen gemacht, die ich nicht missen möchte. Das Engagement auf Antigua und Barbuda war übrigens nicht mein einziges Fußball-Abenteuer.

Wo warst du nach deiner Zeit als Torwart-Trainer auf Schalke, die 2014 endete, noch tätig?
Im Oktober 2015 bin ich zum Stab der ungarischen Nationalelf um Trainer Bernd Storck gestoßen. Sein Assistent war übrigens Andreas Möller, ein weiterer ehemaliger Schalker. Gemeinsam hatten wir großen Erfolg, haben uns für die Europameisterschaft 2016 in Frankreich qualifiziert. Das war schon ein Highlight. Die Gruppenphase haben wir als Erster beendet – vor dem späteren Turniersieger Portugal! In der K.o.-Runde mussten wir uns leider Belgien geschlagen geben. Nichtsdestotrotz war es ein großer Erfolg für Ungarn. Denn die letzte EM-Teilnahme lag über 40 Jahre zurück.

Was folgte auf die Zeit als Torwart-Trainer der Ungarn?
Da begannen die Abenteuer erst richtig. Ich war als Trainerausbilder für den Fußballverband aus Mauritius tätig, zudem habe ich den Trainerstab der Nationalelf Myanmars mehrere Wochen geschult. Künftig bin ich für weitere Abenteuer offen. Aber auch für ein Engagement im europäischen Profifußball. Ich bin topfit, hochmotiviert und bilde mich regelmäßig fort. Wenn sich eine Möglichkeit auftun sollte, höre ich mir das auf jeden Fall an. Denn ich bin noch lange nicht an dem Punkt, an dem ich sage, ich lege die Füße hoch und mache nichts mehr.

Während deiner aktiven Laufbahn hast du über 250 Spiele im deutschen Profifußball bestritten. Mittlerweile zählst du zum Kader der Schalker Traditionself. Wie viele Spiele bestreitest du pro Jahr im Trikot der königsblauen Oldies?
Im vergangenen Kalenderjahr waren es aufgrund der vielen Auslandsabenteuer leider nicht ganz so viele. 2018 habe ich etwa zehn Spiele für die Traditionself bestritten. Auf der Torwart-Position herrscht bei zehn Keepern im Kader zum Glück keine allzu große Not (lacht). Olaf Thon als Abteilungsleiter hat das Ganze super im Griff. Die Organisation ist hervorragend, gleiches gilt für die Kameradschaft. Es ist immer wieder schön, mit langjährigen Weggefährten und Freunden gemeinsam mit dem Schalke-Logo auf der Brust zu kicken.

In der jüngeren Vergangenheit hast du neben dem Fußball noch einen anderen Sport für dich entdeckt: Padeltennis.
Das stimmt. Seit einigen Jahren bin ich völlig begeistert von dieser Sportart. Schon früher habe ich Tennis gespielt, auch im Verein. Zwar nicht auf allerhöchstem Niveau, aber ganz passabel. Padeltennis, eine Variante des normalen Tennis, habe ich aber erst durch meine Aufenthalte auf Mallorca kennengelernt. Nach dem ersten Spiel, das ich gesehen habe, hat mich sofort das Interesse gepackt, ich wollte es direkt selbst ausprobieren. In Deutschland ist der Sport noch nicht so verbreitet wie in Spanien. Aber er wird immer bekannter. In den Niederlanden und auch in Belgien entstehen auch immer mehr Courts.

Ich war schon immer ein Wettkampftyp und liebe es, mich sportlich zu messen.

Holger Gehrke

Wie häufig trainierst du?
Seit rund fünf Jahren spiele ich mehrmals pro Woche und habe schon den einen oder anderen Erfolg gefeiert.

Das klingt jetzt sehr bescheiden. Mit den „Köln Walls“ bist du fast Deutscher Mannschaftsmeister in der Altersklasse Herren 50 geworden. Im Finale musstet ihr euch hauchdünn „Padel Essen“ geschlagen geben. Ist dein Ehrgeiz noch immer ungebrochen?
Ich war schon immer ein Wettkampftyp und liebe es, mich sportlich zu messen. Die Final-Niederlage war ärgerlich, aber vielleicht gelingt uns ja noch einmal der große Wurf. Wir werden erneut angreifen und wollen den Titel! Kürzlich habe ich in Palma gegen Jordi Aresse gespielt, der hat bei den Olympischen Spielen 1992 die Silbermedaille im Tennis-Einzel errungen. Und mir ist es im Padeltennis tatsächlich gelungen, auf seinem Niveau mitzuhalten. Danach war ich schon ein wenig stolz.

Was kaum jemand weiß: Du bist sogar deutscher Nationalspieler im Padeltennis!
Das stimmt. Ich habe vor zwei Jahren an der Weltmeisterschaft im spanischen Malaga teilnehmen dürfen und mich dabei ganz gut geschlagen. Von neun Duellen konnte ich sieben für mich entscheiden. Auch bei der Europameisterschaft 2019 in Bilbao war ich dabei. Während des Turniers habe ich mich aber leider verletzt.

Kommen wir zurück zum Fußball. Du warst von 1992 bis 1994 Schlussmann auf Schalke, später dann von 1999 bis 2002 und von 2012 bis 2014 Torwart- und phasenweise auch Co-Trainer. War es schon als aktiver Spieler dein Ziel, später als Trainer zu arbeiten?
In jungen Jahren, nach dem Abitur, wollte ich eigentlich Lehrer werden. Aber dann hat sich die Tür zum Profifußball geöffnet. Am Ende der aktiven Laufbahn ergab sich dann beim Karlsruher SC die Möglichkeit, als Torwart-Trainer einzusteigen. 1999 kam dann die Anfrage vom FC Schalke 04. Ich war sofort Feuer und Flamme. Dazu gibt es übrigens auch eine nette Anekdote: Einige Jahre zuvor, als ich mit dem MSV Duisburg in einem Bundesligaspiel im Parkstadion zu Gast war, haben mich die S04-Fans nach dem Abpfiff gefeiert – obwohl ich gegen meinen Ex-Club ein richtig gutes Spiel gemacht habe und Schalke damit das Leben schwergemacht hatte. In einem TV-Interview nach dem Spiel habe ich dann aus einer Laune heraus gesagt, dass ich nach dem Ende meiner aktiven Laufbahn als Torwart-Trainer nach Schalke zurückkehren werde. Dass das Ganze tatsächlich so eingetroffen ist, war eine Riesengeschichte. Ich hatte einige tolle Vereine in meiner Karriere, aber Schalke gehört mein Herz. Denn hier habe ich unfassbare Momente erleben dürfen: die beiden DFB-Pokalsiege, die erste Champions-League-Teilnahme der Vereinsgeschichte und fast sogar die Deutsche Meisterschaft. 2001 waren wir ganz, ganz nah dran.

Es war Huub Stevens, der dich 1999 in seinen Trainerstab aufgenommen hat. Nach deiner ersten Amtszeit auf Schalke habt ihr auch bei Hertha BSC und dem 1. FC Köln zusammengearbeitet, von 2012 bis 2014 dann noch einmal auf Schalke. Hast du heute noch Kontakt zu Huub?
Wir tauschen uns regelmäßig aus. Huub hat ja ebenfalls eine Leidenschaft für Mallorca und besitzt hier sogar ein Haus. Wenn er auf der Insel ist, treffen wir uns immer in einem netten Restaurant. Es ist immer wieder großartig, mit ihm über Fußball und die alten Zeiten zu plaudern. Ich staune dann immer wieder, wie locker und entspannt er sein kann (lacht).

Gibt es auch noch Kontakte zu ehemaligen Mitspielern?
Natürlich. Allein schon durch die Spiele mit der Traditionself treffe ich immer wieder Jungs, mit denen ich damals schon zusammengekickt habe. Darüber hinaus tausche ich mich häufiger mit Mike Büskens, Youri Mulder und einigen weiteren Spielern aus.

Thema der Gespräche ist sicherlich hin und wieder auch die aktuelle sportliche Situation. Wie bewertest du den bisherigen Saisonverlauf?
Großes Kompliment an David Wagner, der mit wenigen personellen Veränderungen gegenüber der durchwachsenen Vorsaison eine tolle Hinrunde gespielt hat. Der Start ins zweite Halbjahr verlief zwar nicht so erfolgreich, aber auch solche Schwankungen gehören dazu. Zumal ja auch der eine oder andere wichtige Spieler verletzt gefehlt hat. Es kommen auch wieder andere Zeiten. Ich bin überzeugt davon, dass die Mannschaft die Saison erfolgreich beenden wird. Hoffentlich kann bald wieder Fußball gespielt werden.

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Source: © Feed by Schalke04.de

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